Oder: "Ist nicht geschimpft gelobt genug?"
Wahrscheinlich kennen wir es alle: Im Entdecken von Fehlern (und dem dazugehörigen Tadeln) sind wir in aller Regel schneller und großzügiger als im Bemerken und Anerkennen von Gutem, das uns nur allzu schnell als selbstverständlich erscheint. Dies ist mein persönliches Plädoyer für mehr Lob – aber angemessen!
Was Lob für mich bedeutet
Ich möchte an dieser Stelle keine wissenschaftliche Abhandlung verfassen im Stile von „Korrekter Einsatz des stimmlichen Lobes im Hundetraining, basierend auf neurologischen Wirkprozessen im Gehirn des Hundes und aktueller Lerntheorie“ (dazu gibt es online jede Menge zu finden). Vielmehr möchte ich eure und meine Aufmerksamkeit auf die alltägliche Häufigkeit (oder Seltenheit) und Art des Lobens richten.
Ein Lob ist für mich und meinen Hund in erster Linie einfach ein positives Feedback, das eine gute Leistung anerkennt. Quasi der Kit in den Fugen unserer Mensch-Hund-Beziehung, denn umgekehrt gilt: Je weniger ich ein Verhalten anerkenne (egal ob durch Lob, Keks, soziale Interaktion, Spiel etc.) umso weniger lohnt es sich. Das gilt auch für uns Menschen – je weniger innere Motivation ich habe, etwas zu tun, umso mehr bin ich auf äußere angewiesen. Und wenn beides fehlt, warum zum Kuckuck sollte ich überhaupt etwas so Dummes tun wie zum Beispiel gute Leistung auf der Arbeit zu erbringen? Oder überhaupt zu arbeiten? Wir stellen also fest: Ein Lob kann als äußere Motivation dienen. Bei Hunden, die sehr empfänglich für stimmliches Lob sind, kann es sogar Belohnungs-/Verstärker-Charakter bekommen.
Viel „Müssen“ für etwas Angenehmes
Nun ist es unbequemerweise so, dass nicht wir Menschen darüber entscheiden, was ein Lob ist, sondern der Hund. Und da fängt sie an, die Crux: Damit Lob „funktioniert“ und beim Hund verfängt, muss es zeitlich passen, es muss angemessen sein, es muss authentisch gegeben werden und das Energielevel muss auch noch stimmen. Dass der Hund in dem Moment auch ein offenes Ohr für uns haben muss und nicht gerade mit der gesamten Gehirnleistung daran arbeitet, das Pipi einer läufigen Hündin zu analysieren, versteht sich von selbst.
Das Timing beim Lob
Es hat sich mittlerweile herumgesprochen: Man kann Hunden nicht erklären, dass das Verhalten, das sie vor einer halben Stunde oder vor zwei, drei Sekunden gezeigt haben, genau das war, wofür ich jetzt lobe (oder tadle). Das heißt: Wenn mein Hund sich eben auf Signal hin fein gesetzt hatte, jetzt aber schon wieder auf dem Weg zum nächsten interessanten Grashalm ist, sollte ich mir das Lob schlichtweg stecken. Bringt eh nix mehr. Hilfreich für den Hund ist es wiederum, wenn ich entweder ein gewünschtes Verhalten punktgenau dann lobe, wenn er es zeigt (z. B. in dem Moment, wenn der Popo beim „Sitz“ den Boden berührt). Oder wenn ich immer mal wieder lobendes Feedback gebe, um sein Verhalten zu verlängern (z. B. ein ruhiges „Gut. Fein machst du das. Prima.“, wenn er danach sitzen bleibt, bis ich ihn wieder freigebe).
Die Angemessenheit/Intensität
Etwas, worin wir Menschen leider oft nicht sonderlich gut sind, ist das angemessene Lob. Da schafft der Hund es doch tatsächlich, sich auf Rückruf hin vom Spiel mit den anderen Hunden abzuwenden und zu uns zu kommen, und wir speisen ihn mit einem „Gut gemacht“ ab, das danach klingt, als wolle der Mensch einem Kellner trotz kalt servierter Gulaschsuppe noch etwas nettes antworten auf die Frage „Hat es Ihnen geschmeckt?“. Oder mein Lieblingsbeispiel: Wenn die Mutter mit ihrem Sohnemann das erste Mal auf dem ADAC Übungsplatz ist und er es schafft, die Kupplung das erste Mal kommen zu lassen, ohne den Motor abzuwürgen, dann ist das doch wohl gefälligst ein richtig begeistertes, überschwängliches Lob wert. Wenn allerdings dasselbe Leibesfrüchtchen nach 20 Fahrstunden und kurz vor der Prüfung für das Nicht-Abwürgen mit der gleichen Intensität gelobt würde, dann wäre der peinlich berührte Blick zur Frau Mama mehr als verdient.
Lob. Echt jetzt?
Die Authentizität ist vermutlich das, was für den Hund am entscheidendsten ist. Mal ehrlich: Sogar wir Menschen erkennen sofort, ob ein Lob echt ist und von Herzen kommt, oder ob es irgendwie unecht um die Ecke biegt. Wenn ihr lobt (und bitte tut das gerne und häufig!) und das auch selbst fühlt, dann schlägt sich das auf die Körpersprache, die Tonlage, die Sprechweise, den Blick und alles andere aus. Ich treffe immer mal Menschen, denen merkt man schnell an, dass sie nur loben, weil ihnen ihr/e Trainer/in gesagt hat, sie sollen das tun. Authenzitizititä… ähem … Echtheit kann aber nur durch Echtheit erzeugt werden. Das heißt, dass wir manchmal erst wieder lernen sollten, das Verhalten unserer Hunde aus der Selbstverständlichkeit zu holen und uns daran wirklich(!) zu erfreuen. Das heißt nicht zwangsläufig „ausrasten vor Begeisterung“, aber wenigstens ein kleines Stückchen echte Freude empfinden, dass der Hund eben tut, was er gerade tut – egal ob ihr das Verhalten eingefordert habt, oder er es von sich aus zeigt. Freude ist ausschlaggebend für authentisches Lob.
Warp 10. Bringen Sie uns ins All.
Das Energielevel des Lobens ist immer kontextabhängig. Zwei Extreme: Wenn ich mit meinem Hund den Rückruf übe und ihn, während er auf direktem Weg zu mir ist, durchgehend begeistert und überschwänglich lobe, dann kann ihn das dabei unterstützen, immer schneller, freudiger und geradliniger zu mir zu kommen. Dann ist das Lob wie ein Leitstrahl für Flugzeuge im Landeanflug. Und wenn er dann angekommen ist, kann die Party gar nicht groß genug sein, denn die Leistung ist einfach großartig, wenn man mal überlegt, wie viele Gerüche ihn auf den zurückgelegten 20 Metern verlockt haben. Übe ich aber das Bei-Fuß-Laufen oder möchte meinem Hund beibringen, ruhig auf einer Decke liegen zu bleiben, dann ist ein zappelig-quietschig-aufgeregtes Partylob sicherlich weniger hilfreich als ein ganz ruhiges, tiefes und entspanntes Lob. Und auch die Authentizität und die Angemessenheit spielen hier wieder mit rein, denn oft haben die Menschen in Hundeschulen nur gelernt, dass Loben hoch, quietschig und aufgeregt ist, aber nicht, dass das nur in bestimmten Situationen sinnvoll ist.
Was hochfliegt, muss auch wieder runterkommen
Ein Nebenaspekt des vorgenannten Energielevels: Fahre deinen Hund nie höher, als du ihn auch wieder runterbekommen kannst. Auch die Persönlichkeit deines Hundes sollte Einfluss auf die Art und Weise deines Lobens haben. Wenn ich einen hibbeligen Adrenalinjunkie an meiner Seite habe, wäre es vermutlich klüger, das Lob eher ruhig zu gestalten, während ich einen sehr ruhigen und gemächlichen Vierbeiner durchaus auch mal mit einem höheren Energieniveau beim Loben zu mehr Aktivität verführen kann.
Fazit
Lobt mehr! Und achtet dabei bitte auf Timing, Intensität, Authentizidingsbums und das Energielevel. Dann könnt ihr auch nicht zu viel loben. Denn: „Nicht geschimpft ist gelobt genug“ ist nicht genug gelobt.
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