Gibt es einen Vorführeffekt im Hundetraining? Ja, den gibt es, aber anders als viele Menschen annehmen.
Die alltägliche Situation
Wenn ich mit Kunden arbeite und wir mit den Hunden unterwegs sind und z.B. in eine stressige Situation geraten (wie eine Hundebegegnung), passiert es ganz häufig, dass der Hund ganz anders reagiert, als der Halter es vermutet bzw. befürchtet. Ganz häufig höre ich dann folgende Sätze:
"Sonst bleibt mein Hund nie so ruhig."
"In dieser Situation rastet er sonst immer aus."
"Mein Hund verhält sich gerade ganz anders als sonst."
Die Erklärung der Menschen für dieses unerwartete Verhalten ihres Hundes lautet dann meistens: "Das macht der jetzt nur, weil Du als Hundetrainer dabei bist."
Einspruch - Der Grund liegt woanders
An dieser Stelle möchte ich gerne widersprechen. In erster Linie ist nämlich der Mensch, der sich in Anwesenheit eines Hundetrainers anders verhält. Der Mensch hat durch uns mehr Sicherheit im Umgang mit stressigen Situationen, weil er darauf baut, dass der Trainer eingreifen wird, wenn etwas schiefläuft. Dadurch wird der Mensch im Umgang mit seinem Hund deutlich ruhiger und überträgt weniger Unsicherheit auf seinen Hund. Es gibt also eine Art Vorführeffekt, aber dieser wirkt auf den Hundehalter und nicht auf den Hund.
Am Menschen arbeiten
Eine ähnliche Situation habe ich, wenn ich Kunden zu Hause besuche und wir an der Herausforderung arbeiten wollen, dass der Hund nie so richtig zur Ruhe kommt, wenn die Menschen zu Hause sind. Ständig läuft der Hund den Menschen hinterher, fordert Aufmerksamkeit ein und macht alles, nur nicht ruhig irgendwo zu liegen und zu schlafen oder zu dösen.
Ich schaue mir die Situation eine Weile an und fange dann an, mit den Menschen zu sprechen und zu erklären, wie es um das Ruhebedürfnis von Hunden bestellt ist, was Aufmerksamkeit forderndes Verhalten ist und was die Menschen machen, wenn ihr Hund nicht zur Ruhe kommt.
In der Regel hören die Menschen ganz interessiert zu und nach einer Weile mache ich sie darauf aufmerksam, dass der Hund sich mittlerweile in sein Körbchen gelegt hat und eingedöst ist. Auch hier kommt dann immer wieder der Satz: "Das macht er jetzt nur, weil Du da bist." Das stimmt auch, aber der eigentliche Grund ist, dass ich durch das Gespräch die Menschen so sehr von ihrem Hund ablenke, dass sie ihn mal für eine längere Zeit ignorieren. Dadurch kann der Hund endlich mal zur Ruhe kommen, weil er nicht ständig im Zentrum der menschlichen Aufmerksamkeit steht.
Stimmungsübertragung - ein zweischneidiges Schwert
Auch hier haben wir quasi wieder einen Vorführeffekt, aber der Trainer beeinflusst nicht den Hund, sondern die Halter, was wiederum Einfluss auf den Hund hat. Wir bewegen uns hier im Bereich der Stimmungsübertragung, einem sehr wichtigen und wirkungsvollen Instrument im Umgang mit Hunden. Die Stimmungsübertragung ist allerdings ein zweischneidiges Schwert, soll heißen, die Wirkung der menschlichen Stimmung kann in unterschiedliche Richtungen wirken. Ich kann als Mensch beruhigend auf meinen Hund einwirken oder ihn mit meiner Stimmung noch weiter in den Stress treiben.
Wenn ich mir aber bewusst bin, welchen Einfluss meine eigene Stimmung auf meinen Hund hat, kann ich die Stimmungsübertragung auch ganz gezielt sowohl im Training als auch im Alltag einsetzen, um meinen Hund souverän zu führen.
Fazit
Es gibt einen Vorführeffekt im Umgang mit meinem Hund, aber ich will den Menschen zeigen, dass sie selbst dieser Effekt sind und der Hundetrainer nur indirekt Einfluss hat. Ich bin immer wieder fasziniert, wenn ich mit Mensch-Hund-Teams arbeite, dass schon Kleinigkeiten einen großen Unterschied machen können. Wir müssen diese Kleinigkeiten nur erkennen, verstehen und einsetzen.
Was kannst du tun?
Wenn Dein Hund in der nächsten stressigen Situation mal wieder nicht so reagiert, wie es gerne hättest, hinterfrage mal Deine eigene Stimmung und wie Du Dich in dieser Situation verhalten hast. Wenn du selber unruhig und angespannt warst, warum sollte sich Dein Hund anders verhalten?
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